Die neuesten Zahlen zur Ab- und Zuwanderung in Ungarn riefen ein widersprüchliches, gar konträres Medienecho im Lande hervor und verdeutlichten, wie unterschiedlich Statistiken in Abhängigkeit der eigenen politischen Couleur gelesen und interpretiert werden können. Während linksliberale und regierungskritische Medien betonten, dass im vergangenen Jahr so viele Ungarn ausgewandert seien wie noch nie, sprachen neutrale und regierungsfreundliche Medien von einem positiven Wanderungssaldo – Recht haben beide.
Konsultiert man die entsprechenden Statistiken des Zentralen Statistikbüros KSH (Központi Statisztikai Hivatal), wird ersichtlich, dass Ungarn in den frühen 2010er Jahren, getrieben durch die Nachwirkungen der Weltwirtschaftskrise, einen Anstieg der Emigration verzeichnete. Zwischen 2010 und 2015 stieg so die Zahl der jährlich Auswandernden von 7.318 auf 32.852. Zwischen 2015 und 2020 sank die Zahl der Auswanderer dann stetig ab auf 19.322 und erhöhte sich erst 2022 und 2023 wieder, begünstigt von den durch die Corona-Pandemie und den Ukrainekrieg entstandenen wirtschaftlichen Verwerfungen. Die Zahl der in Ungarn geborenen und nach Ungarn zurückkehrenden Staatsbürger wuchs seit 2010 ebenfalls jährlich an und stabilisierte sich ab 2017 im Bereich von 20.000-25.000 Personen. Im Jahr 2018 war der Saldo nahezu ausgeglichen und in den Folgejahren zwischen 2019 und 2021 kehrten mehr in Ungarn geborene Staatsbürger nach Ungarn zurück als durch die Emigration verlorengingen. Wenn diese Wanderungsbewegungen, im Zeitraum zwischen 2010-2023, gegeneinander aufgerechnet werden, wird ersichtlich, dass die Gruppe der Auswanderer 324.179 Personen, die der Rückkehrer hingegen nur 219.060 Personen umfasste – ein negativer Saldo von 105.119 Staatsbürgern. Ein anderes Bild zeichnet sich jedoch, wenn man die Zahl der im Land lebenden, aber im Ausland geborenen ungarischen Staatsbürger berücksichtigt. Deren Anteil erhöhte sich in absoluten Zahlen von 244.120 Personen im Jahre 2010 auf 429.585 Personen im Jahre 2023 – ein Anstieg um 185.465 Personen. Zuwanderer aus Rumänien, der Ukraine und Serbien, häufig Angehörige der dortigen ungarischen Diaspora, machen mit 191.975, 68.325 und 37.167 Personen die drei größten Anteile aus. Deutschland folgt mit einem Wert von 26.060 auf Platz vier.
Legt man den Anstieg der im Ausland geborenen Staatsbürger über den Migrationssaldo der in Ungarn geborenen Staatsbürger, verzeichnete Ungarn seit 2010 einen positiven Migrationssaldo von 80.346 Personen. Rechnet man die Anzahl der Nicht-Staatsbürger dazu, welche sich von 2010 bis 2023 von 197.819 auf 226.267 erhöhte, fiele der positive Wanderungssaldo mit einem Zuwachs von insgesamt 108.794 Personen noch deutlicher aus.